Georg-Ackermann-Schule

Breuberg/Rai-Breitenbach

50 Jahre Georg-Ackermann-Schule – 10 Jahre Schulsozialarbeit

Die Tür zur Besenkammer, in der das Büro der zwei Sozialarbeiter Ulla Engelhardt und Arndt Weixler im Schuljahr 2003/2004 untergebracht war, flog auf. Ein erregter Lehrer mit einem betroffen dreinblickenden männlichen Siebtklässler im Schlepptau stand im Türrahmen.

Der Auftrag des Lehrers an die beiden Sozialarbeiter war deutlich. Behandlungsvorschläge wie „mal richtig den Kopf waschen“ oder „Einnorden“ wechselten den Besitzer. Der Schüler und seine Mitschüler hatten offensichtlich eine längere Zeit damit verbracht, die Geduld der Lehrkraft zu testen. Das Ergebnis war beeindruckend. Der Auftraggeber zog sich entschlossenen Schrittes in die Klasse zurück, die Auftragnehmer wandten sich dem Schüler zu. Später am Morgen trafen sich Auftragnehmer und Auftraggeber zufällig im Lehrerzimmer. Die Lehrkraft äußerte ihr befremdendes Empfinden darüber, dass der Schüler entspannt und guter Laune in den Unterricht zurückgekehrt sei. Welchen Zustand der Schüler nach der Behandlung durch den Sozialarbeiter aus Sicht der ehrkraft hätte haben sollen, konnte nicht geklärt werden. Es blieb nicht nur nach dieser Situation die Überzeugung, dass es einer Synchronisierung zweier pädagogischer Handlungsfelder bedürfen würde.

Zu Beginn unserer Tätigkeit im Schuljahr 2003/2004 begannen wir zunächst damit, Schüler mit sozialem und emotionalem Förderbedarf zu betreuen. In dieser Zeit wurde die zentrale Erziehungshilfeklasse für Schüler mit sozialem und emotionalem Förderbedarf des Odenwaldkreises für die Sekundarstufe aufgelöst und die Schüler wurden wieder an ihren Herkunftsschulen unterrichtet. Nach einigen konzeptionellen Beratungen mit dem Schulleitungsteam und dem damaligen Jugendamtsleiter Herrn Simon, der Geldmittel für eine halbe Stelle zur Finanzierung eines Sozialpädagogen zur Verfügung stellte, begannen wir gemeinsam mit den Lehrern und den Eltern neue Wege, Einsichten und Ideen zu entwickeln, wie Schüler mit sozialem und emotionalem Förderbedarf an der Georg-Ackermann-Schule im Gelingen ihres Schulalltags unterstützt werden können. Es begann ein intensiver, manchmal sehr emotionaler Prozess, die pädagogischen Konzepte von Schule und Jugendhilfe aufeinander abzustimmen, voneinander zu lernen und gemeinsam etwas Neues zu entwickeln.

Im Jahr 2004 entstand nach langjährigen Vorarbeiten der „AG Soziales Lernen“ ein Gesamtkonzept Schulsozialarbeit der Georg-Ackermann-Schule mit den Bereichen „Ambulante Erziehungshilfe“, „Pädagogische Mittagsbetreuung“ und „Projektorientierte Schulsozialarbeit“, zu dem viele engagierte Lehrer und Lehrerinnen beigetragen haben. Im Dezember 2004 konnte dann, durch die Finanzierung einer zweiten halben Stelle durch den Odenwaldkreis, die erste hauptamtliche „Schulsozialarbeiterin“ der Georg-Ackermann-Schule, die Dipl.-Sozialarbeiterin Daniela Wurz, in Trägerschaft des Familienhilfezentrums Odenwald eingestellt werden.

Durch die Zusammenarbeit und die intensive Innenansicht wurde uns schnell klar, dass Erziehungs- und Lehrtätigkeit an einer Schule organisatorisch und inhaltlich große Herausforderungen an alle Beteiligten darstellt. Es gibt den Zwangskontext der Schulpflicht, eine Klassendynamik, mehrfach am Tag einen Wechsel der Bezugsperson der Klasse, eine Taktung in 45 oder 90 Minuten, tägliche Bewertungen der Schüler durch Lehrer, einen Lehrplan und hohe gesellschaftliche Erwartungen. Nicht zuletzt ist die Schule auch ein Probierfeld unterschiedlicher Denkrichtungen der Politik. Viele Probleme in Familien entstehen durch Überforderung der Schüler und Eltern durch die Anforderungen der Schule und viele Probleme in der Schule entstehen durch nicht gelingende Begleitung und Erziehung der Schüler durch ihre Eltern. Probleme entstehen aber oftmals nicht linear sondern vielmehr durch ein komplexes Zusammenspiel der Lebensbedingungen, der Aufträge, der Persönlichkeiten, der gelebten Werte und Haltungen aller Beteiligten. Wenn Schule ein Lebensraum werden möchte, an dem sich die Menschen, die dort Zeit verbringen (müssen) auch wohl fühlen, stellt das vielfältige dialogische Anforderungen an die Schulgemeinde. Um erfolgreich ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen zu können, brauchen Schulen interdisziplinäre Teams, die täglich verfügbar sind und täglich dran arbeiten eine Atmosphäre zu schaffen, in der „Miteinander lernen“ gelingen kann. Wenn wir eine Blume eintopfen, achten wir ja auch täglich darauf, dass sie Licht hat, gegossen und gedüngt wird und dass wir die Schädlinge bekämpfen. Wir wissen auch was passiert, wenn wir es nicht tun.

Seit dieser Situation sind nun 10 Jahre vergangen. Heute, als Leiter der systemischen Jugendhilfeeinrichtung Familienhilfezentrum Odenwald gGmbH und Träger der Schulsozialarbeit an der Georg-Ackermann-Schule, begleite ich nun seit zehn Jahren die Schule auf ihrem bemerkenswerten und engagierten Weg, von einer traditionellen Lehreinrichtung zu einem Lebensraum für Schüler zu wachsen. Seit 2010 ist unser Kollege, der Dipl.-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut Herr Sparfeld mit zwei halben Stellen, die weiterhin vom Odenwaldkreis finanziert werden, für die Bereiche Schulsozialarbeit und die Betreuung der Schüler mit sozialem und emotionalem Förderbedarf zuständig. Einzelberatung und Betreuung von Schülern, Ausbildung von Streitschlichtern, Klassenfindungsprozesse oder Berufsorientierungs- und Berufsfindungsangebote u.v.m. sind heute ganz normale Angebote, die im Schulalltag durch den Schulsozialarbeiter angeboten werden. Gemeinsam mit dem Sonderpädagogen Herrn Heuß wird das Angebot der Schulsozialarbeit immer wieder sinnvoll auf die Bedürfnisse der Schulgemeinde abgestimmt. Jährich wird ein Feindesign mit den Arbeitsschwerpunkten in Absprache mit allen Beteiligten entwickelt. Lange ist die Idee angekommen, dass es ein ganzes Dorf braucht, um Kinder zu erziehen, das keiner alleine gelassen werden soll, weder Lehrer noch Eltern noch die Kinder. Es braucht keine kurzen Projekte oder Modethemen, die man bedient.

Es braucht Zeit, Kontinuität, Ansprechbarkeit , den Willen zur Auseinandersetzung und Lebensweltteilnahme, dann finden sich die wichtigen Themen ganz individuell von selbst. In den letzten zehn Jahren haben wir aus meiner Sicht viel voneinander gelernt und ich bin der Überzeugung, dass wir gemeinsam noch nicht alles, aber sehr viel geschafft haben.

Arndt Weixler, Leiter der Jugendhilfeeinrichtung Familienhilfezentrum Odenwald gGmbH
Einleitungsbild: Pixabay

 

 

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